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AUSLAND

Reich dank heissem Wasser

Island verwirklicht den Traum sauberer alternativ-Energie. Es verabschiedet sich von Benzin und Diesel.

Von Hermann Orth

Nahe der Strasse, die vom Flugplatz schnurgerade in die Hauptstadt Reykjavik führt, liegt in einer kargen Marslandschaft aus schwarzem Lavagestein ein künstlicher Teich. Das Wasser brodelt, Dampfschwaden steigen empor. In der «Blauen Lagune» entspannen, selbst wenn sich an den Ufern eiskalte Schneewehen türmen, erschöpfte und von langem Winterdunkel deprimierte Isländer. Hautkranke aus aller Welt suchen hier Linderung und Heilung. Das primitive Kurbad wird von tief im Erdinnern aufgeheiztem Meerwasser gespeist, das nicht mehr gebraucht wird. Denn eigentlich wird das heisse Wasser aus unerschöpflichen unterirdischen Reservoiren an die Erdoberfläche gepumpt, um über Wärmewechsel Süsswasserdampf zu erzeugen. Der wiederum treibt die Turbinen des Elektrizitätskraftwerks Schwarsenge am Rande der «Blauen Lagune» an.
Bislang nutzt Island nicht einmal ein Prozent seiner geothermischen Energiereserve, die aus Geysiren und Sicherheitsventilen verpufft, obwohl damit heute schon 95 Prozent aller Häuser auf der Insel beheizt werden. Brach liegt auch das Wasserkraftpotenzial. Nur 15 Prozent wird zur Stromgewinnung verwendet, die Bäche des mächtigen Vatnagletschers verrinnen ungenutzt. Das will Bragi Arnason, 65, von der Universität Island ändern. Mit den natürlichen Energiereserven soll billiger Strom erzeugt werden, mit dem dann Wasserstoff produziert wird. Ein neuer Typ von Wasserstoffbatterien soll schon bald von Daimler-Benz entwickelte Busse antreiben, später sollen auch Personenwagen auf diese Technik umgerüstet werden. Schliesslich ist geplant, auch die gesamte Fischfangflotte auf Trawler umzustellen, die von in Methanol eingebundenem Wasserstoff angetrieben werden. «In 40 Jahren», sagt Arnason, «werden wir eine Wasserstoffwirtschaft haben, die weitgehend frei von giftigen Abgasen ist.»
Bis vor drei Jahren wurde der Chemieprofessor wegen seiner Pläne belächelt. Seit er mit DaimlerChrysler und den Erdölgiganten Shell und Norsk Hydro potente Partner für die Islandic Hydro-gen and Fuel Cell Company gewonnen hat, werden er und sein Mitstreiter, der Parlamentarier Hjalmar Arnason von der Fortschrittspartei, von der Regierung unterstützt. Hjalmar Arnason, der mit Bragi Arnason nicht verwandt ist, glaubt: «Wir sind eine überschaubare Gesellschaft, die mit der neuen Wirtschaftstruktur als Schulbeispiel dienen kann.»
Spätestens in fünf Jahren will DaimlerChrysler Busse und grössere Nutzfahrzeuge auf den Markt bringen, angetrieben von Wasserstoffbatterien, welche die Firma zusammen mit Ford, Shell und dem kanadischen Brennstoffzellenhersteller Ballard entwickelt. Noch ist Wasserstoff als Betriebsstoff dreimal so teuer wie Benzin oder Diesel. Doch mit reinem Wasserstoff beschickte Batterien nutzen den Energiegehalt dreimal besser aus. Bragi Arnason hat genau kalkuliert: «Mit Wasserstoffbatterien angetriebene Busse, Autos und Schiffe nähern sich, was die Treibstoffkosten betrifft, rasch Fahrzeugen, die von Benzin- und Dieselmotoren bewegt werden.»
Bisher verkauft Island seinen Billigstrom vor allem an je eine Eisensilizium- und Aluminiumschmelze bei Hafnarfjördur. Letztere ist eine hundertprozentige Tochter der Schweizer Algroup. Ihre Öfen sind Dreckschleudern. Das Abgas der Aluminiumschmelze enthält 30 Prozent hoch giftiges Kohlenmonoxid (CO) und 70 Prozent Kohlendioxid (CO2), das den Treibhauseffekt verstärkt. In Zukunft sollen die Schadstoffe produktiv eingesetzt werden. Die Emissionen eines neuen 42-Megawatt-Eisensiliziumofens in Grundartangi südwestlich der Hauptstadt sollen restlos genutzt werden, um mit Hilfe wiederum von Wasserstoff 87 000 Tonnen Methanol zu erzeugen, mit dem auch Autos angetrieben werden können. Später werden die beiden Hütten umgerüstet und «in ökologisch positive Systeme» verwandelt. Laut Bragi Arnason schlägt Island damit zwei Fliegen auf einen Schlag. Es kann seinen teuren Erdöl- und Benzinimport um zwei Drittel reduzieren und zugleich die internationalen Emissionsnormen erfüllen.
Hjalmar Arnason ist begeistert. Island will neue Energie schluckende In-dustrien anlocken, die Abgase in saubere Energie umwandeln, deren Produktion zügig ausbauen, um sie dann in alle Welt zu exportieren. «Unser Inselreich wird reich», prophezeit er.

 

Wasserstoff-Wirtschaft
Eine Wasserstoff-Wirtschaft, wie Island sie plant, ist der Traum vieler Verfechter alternativer Energie. Der Strom, den Wasserkraftwerke und heisse Quellen – oder in anderen Ländern Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen – erzeugen, wird dabei in einem Elektrolyse genannten Verfahren genutzt, um Wasser in seine Bestandteile zu spalten: gasförmigen Sauer- und Wasserstoff. Die Moleküle H2 können in Tanks gespeichert und transportiert werden. So genannte Brennstoffzellen, die auch in Autos eingebaut werden können, verwandeln den Wasserstoff zurück in Strom für Elektromotoren; den Sauerstoff dazu holen sie sich aus der Luft.
Zudem wollen die Isländer den Wasserstoff nutzen, um Fabrikabgase zu reinigen. Bei der Herstellung von Aluminium und Eisensilizium, einem Stahlzusatz, entstehen Kohlenstoff-Verbindungen: das giftige Kohlenmonoxid CO sowie das Treibhausgas Kohlendioxid CO2. Normalerweise werden die Prozesse in den Hochöfen so gesteuert, dass möglichst wenig der giftigen Verbindung entsteht. Doch das CO lässt sich zusammen mit Wasserstoff in Methanol umwandeln, einen Alkohol, den Verbrennungsmotoren nutzen können. Daher lässt sich die Fabrik so einstellen, dass weit weniger Treibhausgas entsteht.