Retter der Nation
In Pakistan wollen die Generäle die Finanzen sanieren. Doch sie sind selbst Teil des Problems.
Von Willi Germund
Seine Bewunderung gilt den beiden deutschen Wehrmachtsgenerälen Erich von Manstein und Erwin Rommel. Und das grosse Vorbild des neuen starken Mannes in Pakistan, General Pervez Musharraf, sind die Streitkräfte der Türkei. Auch diese putschten gegen eine zivile Regierung, als sie es für unausweichlich hielten, um das Land vor dem Untergang zu retten. In der Verfassung haben die türkischen Generäle dann ihre Rolle als eine Art Keimzelle der Nation festlegen lassen.
General Musharraf, 58, kennt die Türkei aus eigener Erfahrung. Sein Vater war Ende der Fünfzigerjahre vier Jahre lang in der pakistanischen Botschaft am Bosporus stationiert. Heute ist Musharraf mehr denn je überzeugt, dass auch Pakistan die Armee als Bewahrerin der nationalen Einheit braucht.
Dabei besass das Land am Indus schon seit 1988 eine «Zwangsjacken-Demokratie», eine Zivilregierung, die von der Gnade der Militärs abhing. Wie sehr, machte Musharraf vergangene Woche deutlich, als er den gewählten, aber unbeliebten Premierminister Nawaz Sharif stürzte. Der Regierungschef hatte von seinem Recht Gebrauch gemacht, den General abzusetzen.
Die Entlassung Musharrafs mag der Anlass für den Putsch gewesen sein. Als wirkliches Motiv für den Staatsstreich vermutet ein europäischer Diplomat dagegen: «Die Militärs befürchteten, dass wegen der ruinierten Wirtschaft bald auch die Gelder für den Unterhalt der Streitkräfte ausgehen würden.»
Die Sanierung der maroden Wirtschaft wird das grösste Problem des Nationalen Sicherheitsrates, der neuen obersten Instanz des Landes, sein. Die Währungsreserven betragen noch knapp 1,4 Milliarden US-Dollar. Zwei Drittel der Kredite, die Pakistan vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erhält, werden gar nicht ausbezahlt. Sie gehen für die Tilgung von früheren Schulden beim IWF drauf.
Doch die Generäle, die sich nun als Retter des Landes sehen, sind gleichzeitig ein Teil des Problems: 39 Prozent aller staatlichen Einnahmen werden für die 600 000 Mann starken Streitkräfte ausgegeben. Die Folge: Es bleiben magere drei US-Dollar für jeden der 140 Millionen Einwohner des Landes für Entwicklungsaufgaben.
«Wenn die Streitkräfte die ausstehenden Kredite von Unternehmen und Privatleuten bei staatlichen Banken eintreiben, kann ein grosser Teil der Finanzkrise bewältigt werden», glaubt der ehemalige Oberst Ikram Sehgal, dessen Sicherheitsfirma 20 000 ehemalige Militärs beschäftigt, die im ganzen Land private Schulden eintreiben. 2500 Unternehmer, berichten Zeitungen in Pakistan, schulden dem Staat insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar. In einer Rede warnte General Musharraf diese Leute: «Sie haben vier Wochen Zeit, um ihre Ausstände zu begleichen. Wenn Sie es nicht tun, dann müssen Sie sich vor Gericht verantworten.»
Sollte der General es ernst meinen, müsste er sich mit der Elite des Landes anlegen 150 Familien, die sowohl die Wirtschaft, die Politik wie auch die Verwaltung beherrschen. An eine solche Aufgabe hat sich weltweit noch nie eine Armee herangewagt. Und nach Meinung von Experten dürfte auch Musharraf sie nicht bewältigen können.
Oberst a. D. Sehgal ist allerdings zuversichtlich: «Weite Teile der Streitkräfte hassen die Elite, weil sie so korrupt ist und das Land ruiniert hat. Ausserdem ist Musharraf ein Mohajir, er gehört nicht zur Elite.» Mohajirs werden die islamischen Flüchtlinge genannt, die nach der Gründung Pakistans im Jahr 1947 aus Indien flüchteten.
Die hindu-nationalistische Regierung in der ehemaligen Heimat von Musharraf er wurde 1941 in der heutigen indischen Hauptstadt Delhi geboren strickt seit den heftigen Kämpfen zwischen pakistanischen Einheiten und indischen Truppen in der umstrittenen Kargil-Region von Kaschmir in diesem Sommer eifrig an einer Legende, die General Musharraf ins Zwielicht rücken soll.
Laut den Nachforschungen einer westlichen Botschaft streute Indien gezielt Informationen im Internet, die Musharraf als islamischen Extremisten darstellten. Und das, da sind sich sämtliche Experten in Pakistan einig, stimmt nicht.
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